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MBO: Alles online, oder was? – Jetzt auch die Orchesterprobe

Das Moderne Blasorchester Oppau (MBO) probt jetzt online (Bildrechte: MBO)
Das Moderne Blasorchester Oppau (MBO) probt jetzt online (Bildrechte: MBO)

Wie das Moderne Blasorchester Kurpfalz Oppau (MBO) im vergangenen Jahr bewiesen hat, kann sehr viel Vereinsleben auch online stattfinden. Aber wer hätte das im April 2020 gedacht, als das MBO seinen ersten virtuellen Ostergruß zusammenstellte, dass auch ein Jahr später kein gemeinsames Musizieren vor Ort möglich sein wird. Doch Sinn und Zweck eines Musikvereins ist nun mal das gemeinsame Vorbereiten und Aufführen von Konzerten. Die Hoffnung und Möglichkeit der Vor-Ort-Proben rücken immer wieder in weite Ferne, sodass wenigstens ein mittelfristiger Ersatz fürs gemeinsame Proben her muss. So ließ sich Dirigent Dominique Civilotti für die musikalische Zusammenarbeiten wieder etwas Neues einfallen.

 

Orchesterprobe Online - Erster Versuch mit einfachen Mitteln via Videokonferenz

 

Am Montag, den 22. Februar 2021, lud Dirigent Dominique Civilotti zu einem ersten Versuch einer Onlineprobe. Als Pilotprojekt nahmen zuerst nur zwei Instrumentengruppen für jeweils eine Stunde teil, aber der Start fürs Online-Proben war gesetzt. Für die anderen Orchestermitglieder kam zeitgleich eine E-Mail des Dirigenten mit Probehinweisen zum aktuellen Musikstück.

Zur traditionellen Probezeit - Montagabend 19 Uhr - schalteten sich also zuerst die Flöten und Oboen, eine Stunde später die Euphonien und Hörner mit dem Dirigenten per Videoschalte zusammen. So der Plan, indes nach den ersten Tönen war klar, dass einfache Video-Telefonie nicht zum gemeinsamen Musizieren taugt (näheres dazu weiter unten im Text):  Die verzögerte Bild- und Tonübertragung lassen keine gemeinsames Einsetzen zu, zudem stellte die akustische Kontrolle per „Abschaltautomatik“ die leiseren Instrumente aus.
 Dennoch keine vertane Probezeit, denn Civilotti hatte das Stück „Tore der Sonne“ von Komponist Rolf Rudin gewissenhaft durchgearbeitet und teilte nun seine musikalischen Vorstellungen mit den Musikern. Takt für Takt ging der Dirigent die Details der einzelnen Stimmen durch, zeigte Zusammenhänge, aber auch knifflige Stellen auf. Die Blasmusiker konnten aktiv nachfragen und machten sich Anmerkungen in den eigenen Noten.

 

Zweiter Versuch - Orchester probt nun online mit „Play-Along“ und Dirigat

Einen Monat später hatte Dominique Civilotti ein neues Konzept ausgearbeitet, um - allen technischen Tücken zum Trotz - irgendwie gemeinsam musikalisch aktiv zu sein.  Auch dieses Mal waren die Instrumentalisten per Videochat zusammengeschaltet, die Musik kam „vom Band“ und jeder spielte seine eigene Stimme dazu. Die Besonderheit steht darin, dass die Musiker selbst die Mikrofone auf stumm stellen, ein „synthetisches Orchester“ auf den Ohren haben und das Dirigat von Civilotti direkt sehen. Vorteil für den Dirigenten ist, dass er die Musiker sieht und reagieren kann, zum Beispiel Taktzahlen ansagen oder das Stück abbrechen, um den Musikern einen Wiedereinstieg zu ermöglichen. Vorteil für die Instrumentalisten ist natürlich, dass Nachfragen sofort möglich sind und sie sich in das Gehörte gedanklich einzufügen können.

 

Synthetisches Orchester auf dem Ohr  - Nachfragen und Detailarbeit interaktiv

Das komplette „synthetische Orchester“ wurde übrigens von Dirigent Civilotti in Handarbeit mit einer Notationssoftware erstellt. Damit lassen sich dann einzelne Stimmen hervorheben und Tempi variieren, sowie in jedem beliebigen Takt gezielt wieder einsetzen. Dies sind genau die Gründe für vor-Ort-Proben, ein Übetempo anzuschlagen und bestimmte Takte mehrmals gründlich durchzugehen.

 

Experiment geglückt – regelmäßige Online-Orchesterprobe

Da sich am Montag, den 22. März,  gleich zur ersten Gesamt-Onlineprobe schon 20 Teilnehmer eingewählt hatten und die Rückmeldungen größtenteils positiv waren, wurde beschlossen, die so organisierten Online-Proben beizubehalten.
Das Konzept der Online-Proben überzeugt nicht nur weil musikalisch wieder Kontakt direkt zum Dirigenten besteht, sondern auch der Kontakt zwischen den Musikkollegen wieder auflebt.
Klar, das „Orchester“ vom Band ist kein Hörgenuss und auch ein paar technische Probleme traten auf. Eine Musikerin flog mittendrin aus dem Programm oder der Ton war für einige Musiker nicht mehr zu hören. Was soll’s, erneut einwählen, tief Luft holen und wieder mitmusizieren.

 

Warum Online-Orchesterproben eigentlich (fast) unmöglich sind 

So hat das MBO mit seinem Dirigenten eine weitere Herausforderung gemeistert, denn es ist nicht „so einfach“ die musikalische Arbeit ins Virtuelle zu verlegen. Proben und Konzertieren sind nun mal das „Kerngeschäft“ eines jeden Musikvereins. Neben technischen Hürden spielen auch die persönlichen Umstände der Musiker eine große Rolle, warum nicht „einfach“ schon im vergangenen Jahr die Proben ins Netz verlegt wurden.

Mittlerweile kennt fast jeder die nervenden Probleme im Homeoffice bei Online-Besprechungen: Bild- und Tonaussetzer und verzögerte Tonübertragung gehören trotz guter Hardware und Internetverbindung zum Alltag. Wenn die verzögerte Ton- Übertragung schon in einer normalen Videokonferenz nervtötend ist, beim gemeinsamen Musizieren endet eine minimale Verzögerung der Tonübertragung von nur 0,5 Sekunden in einer Kakophonie.

 

Online-Orchesterproben technisch noch machbar

Zudem ist nicht jeder Musiker technisch versiert oder voll ausgestattet, um eine gute Voraussetzung fürs Online-Proben zu haben. Gegenseitige Hilfestellung beim Geräteeinsatz und den Laptop direkt statt mit WLAN mit der Probensitzung verbinden, sowie die Verwendung einer (kostenpflichtigen) Software könnten die Übertragung optimieren. Diese technischen Begebenheiten ließen sich sicherlich irgendwie hinbiegen. Leider gibt es noch keine ausgereiften und erschwinglichen Softwaresysteme für virtuelle Live-Musikproben für Orchester und Chöre, die sämtliche Probleme der herkömmlichen Videotelefonie aushebeln. Zwar geht beispielsweise das gemeinnützige Projekt „digital-stage.org“ genau diese Dinge an, aber es steckt noch in den Kinderschuhen.

 

Örtliche und persönliche Umstände beim Online-Musikzieren

Neben der Technik gibt es noch die persönlichen Probeumstände der einzelnen Musiker. Nicht jedem steht ein eigener Probekeller oder ein freistehendes Haus zur Verfügung. Mit Rücksicht auf die Nachbarn kann eine Musikerin ihr voluminöses Instrument nur mit Dämpfer spielen. Die gemeinsame Probezeit in den frühen Abendstunden ist nicht unbedingt „anwohnerfreundlich.

Mit dem neuen Online-Probenkonzept Rücksicht auf die Nachbarn zur abendlichen Probezeit, kann jeder zuhause auch mit Dämpfer oder gar ohne „Hineinblasen“ an der Online-Probe teilnehmen. Die eigene Tonspur wird ja ohnehin nicht übertragen und die Intonation, also das Stimmen in den einzelnen Akkorden, kann über diesen Weg ohnehin nicht geprobt werden. Der Schwerpunkt liegt somit auf dem Kennenlernen des Stückes, dem Mitgreifen und Mitkommen, sowie der Möglichkeit Rückfragen zu stellen, bis wir endlich wieder in live zusammenkommen können.

 

„Digitalisierung“ des Vereinslebens 

Trotz allen Einsatzes und Kreativität, die „Digitalisierung“ des Vereinslebens stößt langsam an ihre Grenzen. Weiterhin finden keine Vor-Ort-Orchesterproben und persönliche Zusammenkünfte statt, gleichwohl steht das Vereinsleben nicht still. Zum Glück!

Alleine zuhause proben, Online-Vorstandssitzungen und jetzt endlich die Online-Orchesterproben, um nur einiges zu nennen. Leider können die ganzen Online-Aktionen das gemeinsame Musizieren vor Ort nicht ersetzen. Intonationsübungen und musikalische Satzarbeit werden im Sommer hoffentlich in Open-Air-Proben wieder möglich sein. Bleibt daher zu hoffen, dass das Orchester im Sommer 2021 wieder live in Oppau auftreten darf, um sein 10-jährige Bestehen zu feiern.

 

Text: Kerstin Appenzeller